Sonntag, 7. November 2010

Mit "Sleipnir IV" 1988 nach Dänemark

 

Skipper & Frau
 
Meine Frau wird leicht seekrank und war nie ein Freund ausgedehnter Seereisen. Natürlich kannte sie schon früh meine Begeisterung fürs Fahrtensegeln, wusste aber nicht, ob sie sie teilen sollte.

1988 konnte ich sie schließlich zu einer zweiwöchigen Fahrt mit unserem Segelboot überzeugen.

1988:
6mR"Sleipnir IV" längseits 12mR"Zinita"

Der Zustand des Schiffes damals war toll in der Farbe, aber eben nicht gerade umfangreich in der Ausrüstung. Ich hatte gerade mal ein Radio, ein altes Echolot, eine Pinpilot Selbststeueranlage, ein Schlauchboot, Borduhr und Barometer, vier Feststoff-Rettungskragen, eine Dreifarbenlaterne im Masttop, eine Signalpistole und zwei Jahre alte Seekartensätze an Bord.

Von meinem Vater lieh ich einen 5PS Aussenborder und einen kleinen Kompass, der vielleicht auf zehn Grad genau war. GPS war noch nicht erfunden und von einem AP-Navigator träumten wir. Ich lieh mir Hafenhandbücher und kopierte die relevanten Seiten. Ich kaufte einen Spirituskocher und einen Teak-Klapptisch, der sich auch heute noch im Salon befindet. Dann wurde das Boot mit Proviant ausgerüstet, die Klamotten eingestaut und schließlich in Heiligenhafen abgelegt.

Der erste Hafen sollte Gedser sein. Der Wind ließ im Fehmarn-Sund aber nach und eine strenge Stömung kam von vorn. Das irgendwann von achtern aufkommende, plätschernde Geräusch erwies sich als eine mit Bugwelle heranrauschende Fahrwassertonne, der wir gerade noch ausweichen konnten. Jedenfalls kamen wir an dem Tag nur bis Burg auf Fehmarn. Nächsten Tags ging es dann bei herrlichem Wetter unter Spinnaker weiter nach Gedser/Dänemark. Klintholm/Schweden sollte das nächste Etappenziel sein und Sleipnir kämpfte sich wacker gegen zunehmenden Wind und Seegang schräg von vorn.

Meine Mitseglerin hatte sich mit „Scheißegal-Pflastern“ gewappnet und verschwand bei Windstärke sechs unter Deck. Aus diesem Grunde entschied ich mich auf halber Strecke, das heimliche Ziel Bornholm aufzugeben und nach links in den Grönsund abzubiegen. Sowie die See von achtern kam und wir uns im geschützen Grönsund-Fahrwasser befanden, kehrten ihre Lebensgeister zurück und sie erschien wieder an Deck.

Von Stubbeköbing ging es erst eimal mangels Wind weiter in den Grönsund, bis wir schließlich abends unter Segeln die Insel Femö erreichten. In den kleinen überfüllten Hafen kam kurz nach uns im Halbdunkel eine H-Jolle mit deutscher Flagge gesegelt. Es handelte sich um ein Lehrer-Ehepaar aus Kiel, das sich gerade auf Hochzeitsreise befand, wie sich später herausstellte. Wegen Starkwind blieben wir einen Tag auf der Insel und luden die beiden am Abend auf unser Boot ein. Es wurde ein langer Abend.

Am nächsten Tag sollte dann aber ausgelaufen werden, was nach einigen Schwierigkeiten mit dem Motor auch gelang. So wurde mit Fahrtziel Omö unter vollen Segeln die Insel Vejrö an Backbordseite passiert. Nach zwei Stunden blieb wie erwartet eine Untiefentonne Nord an Backbord und mit ausgebaumten Segeln wurde mit Kurs auf die rot-weiße Tonne Omö-Sund weitergesegelt.

Das Fiasko. 

Das Schiff machte bei achterlichen fünf Windstärken anständig Fahrt, meine Frau hatte sich wieder unter Deck begeben. Ich steuerte den Kurs nach dem kleinen, geliehenen Kompass so gut es ging, nur kam auch nach einer Stunde die rot-weiße Tonne nicht in Sicht. Obwohl sich im Norden die erwartete Insel abzeichnete, konnte ich die Tonne nicht finden. Es war nicht das erste Mal, das ein erwartetes Seezeichen nicht da war, außerdem waren die Seekarten ja auch einige Jahre alt. Plötzlich wurde mitten auf der See das Wasser hell und das Echolot zeigte keine fünf Meter mehr unter Kiel! Umgehend leitete ich ein Segelmanöver ein um den Kurs zu ändern, doch bevor es dazu kam, lief Sleipnir
krachend auf Grund. Das Schiff legte sich quer zum Wind und beträchtlich auf die Seite! Von der Situation völlig überrascht geriet meine Frau in Panik. Mit jeder Welle des gut einen halben Meter hohen Seegangs wurde das Boot weiter auf die Untiefe gesetzt. Die dabei überwundenen Steine ließen das ganze Schiff erzittern und das Ruder wild hin- und herschlagen. Ein weiteres Versetzen auf die Untiefe musste unbedingt verhindert werden, also schrickte ich die Segel so weit, das sie gerade eben nicht zu schlagen begannen. Jetzt musste ich die Situation in den Griff bekommen, die Besatzung beruhigen, herausfinden was geschehen war und das Schiff irgenwie retten. Es gab
keine erkennbaren Schäden am Schiff und es machte zum Glück kein Wasser. Wir befanden uns also nicht in Seenot, und wo dieses Schiff mit seinen 1,80 Metern Tiefgang aufläuft, kann man stehen. Ich demonstrierte das, indem ich ins Wasser sprang, das mir bis zur Brust ging. Das beruhigte meine Frau. Das ich den im Westen vorbeiziehenden Segler nicht mit der Signalpistole alarmieren wollte, regte sie hingegen auf. Aber das kam nicht in Frage, denn wir waren nicht in Seenot. Ich griff mir die Seekarte: Es konnte nur so sein, dass ich die ganze Zeit 15 Grad zu weit links gesteuert hatte und die Inseln Omö und Ägersö und deren Leuchttürme verwechselte. Also sind wir
auf das Omö Tofte Riff aufgelaufen! Aber dann mussten sich im Norden von uns zwei Untiefentonnen befinden, die eine Durchfahrt durch das Riff kennzeichneten. Die waren nicht zu sehen. Ich sprang wieder ins Wasser und erkundete die nähere Umgebung. In Lee des Schiffes befanden sich keine Steine mehr und viel flacher wurde es auch nicht. Nach 30 Metern war das Riff zuende und es wurde wieder tief! Ich konnte mich an Lehrbücher erinnern, in denen geschrieben steht, dass man durch Dichtholen der Segel ein Segelboot über eine Sandbank bringen kann. Aber das galt doch eher für Jollen, oder? Egal, der Versuch schadet nicht. Nach Dichtholen beider Segel geriet der Rumpf wieder in Bewegung, der Sand knirschte unter dem Kiel. Jede Welle setzte Sleipnir ein paar Zentimeter nach lee. Mit zunehmender Wassertiefe wurden die Sätze immer größer, bis sich das Schiff schließlich ganz aufrichtete. Die Lehrbücher hatten recht, nach drei Stunden auf dem Riff war Sleipnir frei!
Nur unter Vorsegel segelten wir nun westlich um Omö herum. Jetzt kamen auch die beiden Untiefentonnen in Sicht, die in dänischen Gewässern recht klein ausfallen können. Von Westen her lief ein Fahrzeug der dänischen Heimwehr in Richtung Omö Tofte Riff, dem offensichtlich ein aufgelaufenes Segelboot gemeldet worden war. Es hat niemanden angetroffen. Das Erlebte reichte für den Tag und wir gingen in der Abenddämerung nördlich von Omö Leuchtturm vor Anker.
Am nächsten Morgen untersuchte ich bei einem Tauchgang den Kiel von außen. Auf 20 Zentimeter von  der Unterkannte waren Bleigewicht, Totholz und Ruder vom Farbanstrich freigelegt. Wie gesandstrahlt glänzte das Blei in der Morgensonne. 
Nichts als abgeschliffene Farbe also, das Schiff musste deswegen noch nicht einmal aus dem Wasser. Ach ja: Der Schäkel an der Dirk war bei der Aktion flöten gegangen.

1988 vor Langeland

Die zweite Woche des Segeltörns führte uns um Langeland herum durch den Svendborg-Sund bis um Ärö und dann zurück nach Heiligenhafen und verlief mit erheblichem Misstrauen dem Kompass gegenüber dann unspektakulär.


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