Sonntag, 7. November 2010

Schuld war 12mR "Zinita" . . .

Meine Geschichte beginnt 1974.

Bis dahin verlief meine Kindheit aus meiner Sicht normal. In Heiligenhafen aufgewachsen verbrachte ich viel Zeit am Ostseestrand, wo man den vorbeifahrenden Schiffen hinterher schauen konnte und die von ihnen erzeugten Wellen einem schon mal die Gummistiefel vollschwappten, wenn man nicht aufpasste. Auf jeden Fall waren die Schiffe, wie sie erschienen und entschwanden, von besonderem Interesse. Wo sie herkamen, wusste jeder (aus dem Hafen). Aber wo sie hinfuhren, wenn sie am Horizont entschwanden, das konnte man nur erahnen. Und sich mit den anderen Bengels tolle Phantasiegeschichten darüber erzählen.

Unsere Nachbarn hatten eine Segelschule und besaßen schon immer ein Segelschiff. Das wechselte hin und wieder und wurde dabei immer größer. Anfang der 70er Jahre bekamen sie ein Schiff, für das der Hafen in der Nähe des Grundstücks meiner Eltern nicht mehr tief genug war.
Dieses Schiff konnte nur bei den großen Schiffen, bei den Kuttern im Stadthafen, festmachen. Es war das größte Segelschiff mit nur einem Mast. Der war so hoch, dass er nicht mehr unter der Fehmarn-Sund-Brücke hindurchpasste. Es hatte diesen flachen, langgestreckten, dunkelblauen Rumpf ganz ohne Aufbauten. Nur kleine Skylights und Luken aus Mahagoni waren auf dem riesigen Teakdeck zu finden.
Ein weißer Drachenkopf am Bug zierte den endlos langen Schiffskörper. Dieses Schiff musste schnell sein. Wenn nicht sogar das schnellste überhaupt. Der Name "Zinita" war am extrem schrägen Heckspiegel in weisser Schrift zu lesen.

12mR Zinita


Für uns Jungs eine unglaubliche Erscheinung. So oder so ähnlich mussten auch schon die Schiffe der Wikinger ausgesehen haben. Sie war ein "Zwölfer", eine 12mR-Yacht, gebaut 1926 auf der Werft von "William Five" in Schottland, wie ich später noch lernen sollte.
1974 ergab es sich, das ich zusammen mit dem Nachbarsjungen, der von kleinauf ein Freund von mir war und auch heute noch ist, zu einer mehrwöchigen Seereise an Bord gehen konnte.
Auf dieser Fahrt ging es nicht gerade geruhsam zu! Bei maximaler Besatzungsstärke mussten wir Jungs beim Essen aus Platzgründen oben auf den Seitenschränken sitzen. Neben dem Heimweh nach Muttern machte mir bei schwerem Wetter der Seegang zu schaffen. Ständig ging irgend etwas kaputt und musste im nächsten Hafen repariert werden.
Doch wo es auch hinging, stets war die "Zinita" der höchste Mast im Hafen.

Zinita in Svaneke, Bornholm
Die Hafenmeister wurden allesamt mit einer Flasche durchsichtigen Inhalts und einer Fledermaus drauf bestochen, um die horenden Liegeplatzgebühren für das große Schiff zu mindern. Wir Jungs gingen dann an Land und erkundeten die fremde Welt, bis es schließlich wieder hinaus ging auf See.

Das regelmäßige auf und nieder der Wellen,
das wiegende Deck unter meinen Füßen,
das straff gespannte Segel über mir ...
 Auch die Besatzungen der Feuerschiffe wurden schon mal bedacht, indem man längseits ging und ihnen gehörige Mengen Alkohol zukommen ließ, und sich am nächsten Tag über die ausgebliebene Wettermeldung des Betroffen im Radio amüsierte.
Aber auch die Mannschaft trank. Zu hunderten, wenn nicht zu tausenden kamen die grünen Flaschen aus den Tiefen der Bilge unter den Bodenbrettern hervor. Für uns Jungs gab es orangefarbenen Sprudel, doch der war bald aus. Dann gab es nur noch Bitter-Lemmon, ein Zeug, das ich bis heut´ noch nicht wieder mag. (An das Getränk aus den grünen Flaschen hab´ ich mich inzwischen gewöhnt.)
Und wie das Schiff segelte! Bei Starkwind wurden Frachter überholt, da half auch der plötzlich ganz schwarz werdende Rauch aus dem Schornstein nichts.

...bei Starkwind

Wieder zu Hause angekommen war die Welt nicht mehr wie vorher. Seekrankheit war kein Thema mehr, eher schwankte mir der feste Boden unter den Füssen. Mit Muttern lag ich ständig im Clinch, bisweilen fand ich sie sogar blöd.
Dafür stand ich am Strand und schaute mit Fernweh dem grossen blauen Drachenboot hinterher, wenn es wieder auslief. Wie es nach verlassen der Fahrrinne der Bug in den Wind drehte und die Besatzung mit der gewohnten Mühe die großen Segel setzte. Wie es dann vom Wind abfiel, seine Segelgeschwindigkeit aufnahm und in Richtung Horizont ablief.
Ohne mich, denn ich mußte ja wieder zur Schule.





Ich konnte mit der behüteten Welt an Mutters Rockzipfel nicht mehr so recht was anfangen. Neugier, Wissbegier, Unrast und die Suche nach dem Wunderbaren begannen mein Leben zu bestimmen. Die See hatte mich gepackt und ließ mich nicht mehr los.
Zwei Dinge standen zu diesem Zeitpunkt bereits fest, ohne das ich es schon wusste:

-     Ich werde später zur See fahren, und 
-     ich werde ein eigenes Boot haben – eines, das so segelt, wie dieses!

"Zinita-geschädigt" nannten meine Eltern diesen Zustand, auf den ich stets besonders stolz war und der mich auch heute noch in seinem Bann hält.


"Zinita-geschädigt"

Die grosse weite See . . .

5 Kommentare:

  1. Bist du der Hauke, der Freund vom Pepe? War ne tolle Zeit. Haben noch Bilder von euch. Gruß Jürgen
    Juergen.Adermann@gmail.com

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  2. Bist du der Hauke, der Freund vom Pepe? War ne tolle Zeit. Haben noch Bilder von euch. Gruß Jürgen
    Juergen.Adermann@gmail.com

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  3. Nee, ich bin Jörg, der Freund von Pepe. War (wie beschrieben) in der Tat eine tolle Zeit!

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  4. Hallo,ich bin gerade in Antibes/Südfrankreich und Zinita steht dort an Land,der Mast ist wohl vor kurzem gebrochen.Trotz allem ein sehr schönes Schiff.Ich finde es gibt nichts schöneres als einen 12er.

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    1. Danke fuer den Update!
      Kann mich dem nur anschliessen . . .

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